Betäubungs­mittel­strafrecht

Hier hat sich ein "Strafrecht im Strafrecht" entwickelt, in dem die Einbeziehung der Rechtsprechung und die richtige Verteidigungsstrategie entscheidend für den Verfahrensausgang ist. Mehr noch als in sonstigen Verfahren ist der Grundsatz, dass keinerlei Angaben ohne vorherige anwaltliche Beratung gemacht werden sollten, hier für ein entsprechendes Ergebnis von entscheidender Bedeutung.

Beispielhaft sei die Rechtsprechung zu den sogenannten "Bewertungseinheiten" genannt, wonach im Falle des Handeltreibens aus einem bestehenden Vorrat dies rechtlich als eine Handlung zu bewerten ist. Auch besteht in einer sinnvollen Inanspruchnahme des § 31 BtMG eine Möglichkeit zur Verfahrensbeinflussung, die jedoch nur im Einzelfall nach sorgfältiger Abwägung eingesetzt werden sollte.

Die wichtigsten Straftatbestände sind geregelt in

§ 29 BtMG (nachfolgend a)
§ 29a BtMG (nachfogend b)
§ 30 BtMG (nachfolgend c)
§ 30a BtMG (nachfolgend d)

a) § 29 BtMG

In § 29 BtMG werden die wichtigsten unter Strafdrohung gestellten Handlungen im Umgang mit Betäubungsmitteln genannt. Strafbar macht sich danach (§ 29 Abs. 1 Nr. und 3 BtMG), wer

1.) Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, 2.) Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,

Für die Strafverteidigung ist von größter Bedeutung, welche Handlung von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden ist. Darum ist jede Anklageschrift sorgfältig darauf hin zu überprüfen, ob der dem Angeschuldigten gemachte Vorwurf zutreffend ist. Die strafbaren Handlungen aus vorstehendem Auszug des § 29 BtMG sollen nachstehend in den wesentlichen Grundzügen vorgestellt werden:

Erfasst ist Saat von Samen von Pflanzen, aus denen Betäubungsmittel gewonnen werden und deren Aufzucht.

Das Herstellen erfasst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) das das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln von Betäubungsmitteln.

Das Handeltreiben ist der zentrale Begriff im Betäubungsmittelstrafrecht. Erfasst sind alle eigennützigen Bemühungen des Täters, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen und zu fördern. Die Eigennützigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter einen persönlichen Vorteil erstrebt, namentlich einen Geldgewinn durch Verkauf von Betäubungsmitteln. Handeltreiben ist bereits bei einmaligem Tun erfüllt und wird von der Rechtsprechung bereits ab einem sehr frühen Stadium der Tat angenommen.

Meint den Transport des Betäubungsmittels aus dem Ausland nach Deutschland (Grenzüberschreitung).

Meint den Transport des Betäubungsmittels aus Deutschland ins Ausland (Grenzüberschreitung).

Veräußerung von Betäubungsmitteln im Wege der rechtsgeschäftlichen entgeltlichen Übergabe (typisch: Verkauf). Im Unterschied zum Handeltreiben handelt der Täter hier nicht eigennützig (z.B. Verkauf ohne Gewinn).

Überlassung des Besitzes an Betäubungsmitteln an Dritte zu deren freier Verfügung. Die Überlassung muss unentgeltlich erfolgen.

Als Auffangtatbestand ist diese Variante geschaffen, um verbleibende Strafbarkeitslücken zu schließen. Erfasst ist jedwede Tätigkeit, des es Dritten ermöglicht, eigene Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel zu erlangen, z.B. Täter lässt Betäubungsmittel am Orte seines Konsums (z.B. Kinderspielplatz) liegen.

Entgeltliches oder unentgeltliches Erlangen der eigenen Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel durch einverständliches Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer.

Erlangen der eigenen Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel ohne Einverständnis des bisherigen Besitzers, z.B. Raub, Erpressung, Diebstahl.

Täter hat tatsächliche Sachherrschaft bei entsprechenden Herrschaftswillen, also typischerweise Besitzverhältnisse im umgangssprachlichen Sinn. Zugang zu Verstecken genügt (z.B. Schlüssel für Tresor). Bloß vorübergehender Zugang genügt dagegen nicht, z.B.: wenn A dem B einen Joint zum Ziehen hinhält, hat B keinen Besitz.


b) § 29a BtMG

§ 29 a BtMG regelt:

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. als Person über 21 Jahre

Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs.
1.) verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben."

Hier ist besonders auf § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hinzuweisen, der das Handel treiben, herstellen, die Abgabe und den Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Strafe stellt. Es handelt sich dabei um eine häufig angewendete Strafvorschrift. Das Hauptaugenmerk ist auf die Strafdrohung zu richten. Nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe drohen bei einer Verurteilung. Deswegen ist für den Beschuldigten von besonderem Interesse, ob der Wert der so genannten "nicht geringen Menge" erreicht ist. Siehe dazu ausführlich sogleich unter 2.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass es § 29a Abs. 2 BtMG ermöglicht, in minder schweren Fällen die Strafe auf das Strafmaß von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu mildern. Es ist Aufgabe des Strafverteidigers, sorgfältig zu prüfen, ob die Annahme eines minder schweren Falles möglich ist.

c) § 30 BtMG

§ 30 BtMG regelt:

1.) Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, 2.) im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, 3.) Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder 4.) Betäubungsmittel in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 einführt.

Diese Vorschrift nennt als strafschärfende Gesichtspunkte (u.a.) die Mitgliedschaft in einer Bande, das gewerbsmäßige Tun, die Abgabe von Betäubungsmitteln mit Todesfolge. Die Strafdrohung von nicht unter 2 Jahren ist beachtlich. Besondere Schwierigkeit bereitet häufig das Merkmal der gewerbsmäßigen Tatbegehung. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen will. Dabei ist zu bedenken, dass schon eine einmalige Tatbegehung zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit genügen kann. Da sich der Wille zur fortlaufenden Tatbegehung bei einer einmaligen Tat aber regelmäßig nicht nachweisen lässt, wird die Gewerbsmäßigkeit zumeist nur bei Wiederholungstätern angenommen werden können.


d) § 30a BtMG

Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

§ 30a BtMG richtet sich in der Regel nicht mehr an den Konsumenten von Betäubungsmitteln. Diese Strafvorschrift richtet sich gegen den organisierten Drogenhandel. Dies verdeutlicht zum einen § 30a Abs. 1 BtMG, wonach das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in "nicht geringer Menge" dann, wenn es bandenmäßig betrieben wird, mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren geahndet wird. Schlüsselbegriff für die Strafverteidigung ist hier selbstverständlich der Begriff der Bande. Es ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob bandenmäßige Tatbeteiligung vorliegt.

Zum anderen wird dies in § 30a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BtMG deutlich. In den Vorschriften wird unter Strafe gestellt, wer Minderjährige zu Drogengeschäften veranlasst oder bei Drogengeschäften Schusswaffen oder andere gefährliche Gegenstände mit sich führt. Hier erschöpft sich die Handlung nicht in dem Umgang mit Drogen, sondern es sind entweder Minderjährige in Drogengeschäfte involviert oder es droht eine erhöhte Gefahr durch das Führen von Waffen.

Die "nicht geringe Menge"
Eine der wichtigsten Fragen bei dem Vorwurf von Handel treiben mit Betäubungsmitteln ist, ob die so genannte "nicht geringe Mange" an Heroin oder anderen Drogen vorliegt. Wie oben unter ausgeführt, droht dann eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr. Wird der Wert der "nicht geringen Menge" nicht erreicht, fallen die drohenden Strafen deutlich geringer aus.

Das Gesetz hat nicht näher festgelegt, wann die Grenzwerte der nicht geringen Menge erfüllt sind. Die Gerichte mussten daher Grenzwerte festsetzen. Die Grenzwerte der "nicht geringen Menge" für die wichtigsten Drogen lauten:

Kokain mindestens 5,0 Gramm Kokainhydrochlorid

Heroin mindestens 1,5 Gramm Heroinhydrochlorid

Marihuana Haschisch Cannabis mindestens 7,5 Gramm THC (Tetrahydrocannabinol)

Amphetamin mindestens 10 Gramm

Amphetamin-Base Crystal-Speed mindestens 30 Gramm

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beschlagnahmte Menge Drogen (z.B. Heroin, Kokain oder Haschisch) nicht gleichgesetzt werden darf mit der eben bezeichneten so genannten "nicht geringen Menge". Denn die beschlagnahmten Drogen enthalten regelmäßig nur anteilig den eigentlichen Wirkstoff (z.B. Heroinhydrochlorid). Heroin enthält in der Straßenverkaufsqualität näherungsweise 5 % Heroinhydrochlorid. Wird also ein so genannter "5er Beutel" beschlagnahmt, sind zwar fünf Gramm Heroin beschlagnahmt. Bei einem Wirkstoffgehalt von 5 % Heroinhydrochlorid ist die nicht geringe Menge dabei jedoch bei weitem nicht erreicht. Gewissheit über den genauen Wirkstoffgehalt ergibt dann die labortechnische Untersuchung der beschlagnahmten Betäubungsmittel, die in diesen Strafverfahren regelmäßig durchgeführt wird.


§ 31 BTMG

Diese in Drogenprozesses wichtige Vorschrift ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, in Drogenverfahren entweder ganz erheblich mildere Strafen auszuurteilen oder aber in bestimmten Fällen sogar von einer Bestrafung abzusehen. Dabei muss aber jeder Betroffene bedenken, dass das Gesetz (§ 31 BtMG) nur unter genau bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit oder -milderung ermöglicht. Das Gesetz unterscheidet im Kern zwei Fälle. Danach wird danach unterschieden, ob der Beschuldigte Angaben zu der ihm selbst vorgeworfenen Tat macht oder aber zu solchen Straftaten, die sich noch im Planungsstadium befinden.

Macht der Beschuldigte Angaben zu der ihm selbst vorgeworfenen Tat, kann er in den Genuss der Vorteile des § 31 BtMG dann kommen, wenn er durch seine Angaben wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über den eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Täter andere Mittäter oder Hintermänner benennt. Da der Beschuldigte selbst am besten weiß, wie viel er zu der Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus preisgeben kann, kann der Beschuldigte in diesen Fällen relativ sicher im Vorfeld seiner Angaben einschätzen, ob er auch wirklich in den Genuss des § 31 BtMG kommt. Eine gewichtige Bedeutung muss der Beschuldigte in diesem Fall dem Zeitfaktor zumessen. Ergeben die weiteren Ermittlungen auch ohne sein Zutun die Beteiligung anderer Personen und macht er später die drittbelastenden Angaben, werden die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG häufig nicht mehr bejaht werden können. Erforderlich ist, dass die Aussage des Beschuldigten "wesentlich" dazu beigetragen hat, dass die Tat über den eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte.

Für den Beschuldigten gilt es insbesondere die Situation zu vermeiden, gegen andere Personen ausgesagt zu haben, aber die Vorteile des § 31 BtMG nicht zu bekommen.Die Anwendung des § 31 BTMG bedarf daher der Abklärung im Vorfeld und nicht erst, wenn die Aussage schon erfolgt ist.